Anfang Juni sind wir also in Strasbourg angekommen. Strasbourg hatte gleich mehrere Vorteile für uns: es war näher an der Heimat (und somit leichter Besuche zu machen oder eingelagerte Dokumente zu besorgen) und quasi direkt an der deutschen Grenze (praktisch für Vorstellungsgespräche in Deutschland). Obwohl die Rückmeldungen von meinem alten Chef aus Kanada recht spärlich waren, ging es vorwärts und er schlug vor dass ich erstmal von Deutschland aus als Freiberufler für sie arbeiten könnte, bis die Sache mit dem Visum geregelt wäre. Das hörte sich für mich nach einem guten Vorschlag an und ich prüfte die Machbarkeit dessen. Parallel dazu bekamen wir auch immer mehr Infos zur Beantragung einer kanadischen Arbeitserlaubnis, was sich aber als komplizierter, teurer und langwieriger herausstellte als ursprünglich gedacht. Aber wir hatten ja einen finanziellen Puffer und mit dem Vorschlag von meinem alten Chef, von Deutschland aus für sie zu arbeiten, sollte sich die Wartezeit überbrücken lassen. Nachdem es immer wieder lange Wartepausen in der Kommunikation mit ihm gab, und somit auch die Unsicherheit ob er überhaupt noch an der Sache interessiert war, bekam ich dann endlich einen Termin für das zweite von drei technischen Interviews. Dies war mit zwei Team-Mitgliedern aus Vancouver, von denen ich lustigerweise schon beide kannte. Das Gespräch lief aus meiner Sicht sehr gut (deutlich besser als das erste mit Kalifornien) und ich hatte mich schon darauf gefreut dass es nun endlich weitergehen kann. Allerdings war dieses Gespräch das letzte was ich je von irgendjemandem aus dieser Firma gehört habe. Keiner der Leute mit denen ich bisher Kontakt hatte hat sich wieder bei mir gemeldet oder mir Rückmeldung gegeben wie es nun weitergehen sollte. Das kam mir sehr komisch vor, nachdem der Kontakt bisher eigentlich relativ nett war und ich die Leute ja auch persönlich kannte. Ich habe nie herausgefunden warum der Kontakt so plötzlich abgebrochen ist. Nach drei Wochen ohne Rückmeldung habe ich dann meinen alten Chef aus Kanada informiert dass ich mich nun in Deutschland bewerbe. Ebenfalls ohne Rückmeldung. Schade.
Dieser Schritt war nicht einfach für mich, denn wir hatten ja schon alles darauf ausgerichtet nach Kanada zu gehen. Vor unserer Reise hatten wir bereits viele Möbel und andere Gegenstände verkauft oder verschenkt um den Umzug über den Atlantik so einfach wie möglich zu gestalten. Aber die Tatsache dass ich, ausser der nun stagnierten Kommunikation mit meinem alten Chef und einer schnellen Absage aus Toronto, so gut wie keine Rückmeldung bekommen habe, hat mir klar gemacht dass es mit Kanada wohl nichts werden würde. Also haben wir uns umorientiert und ich habe angefangen mir in Deutschland Stellen anzuschauen. Durch unsere Deutschlandtour vor ein paar Wochen hatten wir ja bereits Vorarbeit geleistet und wussten welche Städte für uns in Frage kommen würden. Ausserdem stand fest: Ursel will nicht nach München und ich nicht nach Berlin. Nach tagelangem durchforsten von Stellenanzeigen ist mir allerdings klar geworden dass es in unseren Wunsch-Städten nicht unbedingt das gibt was ich Suche, also habe ich mir einfach die besten Stellen rausgesucht, egal in welcher Stadt. Hier war die Resonanz der Firmen, ganz anders als in Kanada, überwältigend und ich bekam sehr schnell sehr viel Interesse signalisiert. Nach vielen Telefonaten hatte ich schließlich Vorstellungsgespräche bei mehreren Firmen.
Zwischenzeitlich haben wir das sommerliche Strasbourger Wetter genossen. Um Strasbourg gibt es einige Seen an denen man schön baden kann. Hinzu kommt dass die Altstadt wirklich sehr malerisch ist:
Die pittoresken Fassaden der alten Fachwerkhäuser schmücken die vielen Kanäle, welche die Altstadt umgeben:
Strasbourg ist aber nicht nur sehr schön, sondern auch eine richtige Europastadt. Hier steht u.a. das Europaparlament:
Als interessierter Bürger der Europäischen Union kann man das Parlament kostenlos besuchen:
Man kann einen Rundgang machen und das Parlament auch von innen besichtigen (da war gerade Baustelle wegen Sommerpause):
Dabei erfährt man vieles über die Europäische Union und die Möglichkeiten zur Teilhabe und Mitbestimmung als EU-Bürger:
Ein Besuch den wir jedem empfehlen können! Was wir auch aussergewöhnlich fanden, ist die Tatsache dass die Strasbourger Straßenbahn über die Grenze bis nach Kehl fährt. Diese grenzübergreifende Infrastruktur ist ein Zeugnis der Deutsch-Französischen Freundschaft und drückt den tiefen Glauben an den europäischen Gedanken aus. Wir fanden das sehr beeindruckend (und obendrein äusserst praktisch).
Was die Bewerbungen anging war ich zuletzt in einer Art Luxus-Dilemma: ich hatte mehrere wirklich gute Stellen in schönen Städten in Aussicht, musste mich aber für eine entscheiden. Und eine davon war auch noch in Berlin!
Das geht:
- Bewerbungsgespräch auf dem Friedhof
- Von mehreren Leute in Strasbourg Besuch bekommen
- Die Schoko-Crèmes von Le Comptoir de Mathilde
Das geht nicht:
- Dass wir nicht an den Europawahlen teilnehmen konnten, nur weil wir keinen festen Wohnsitz hatten
- Mit Zug und großem Rucksack reisen und zusätzlich einen Anzug mitschleppen müssen, der natürlich nicht verknittern darf (ich war echt froh als die Vorstellungsgespräche vorbei waren und ich den wieder daheim einlagern konnte)
- Alle zwei Wochen umziehen müssen weil man keine Ahnung hat wie und wann es weitergeht